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Deutsche Konjunktur im Sinkflug

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Die Grundtendenz der Konjunktur hat sich deutlich abgeschwächt. Der Anstieg des BIP im ersten Quartal 2019 um 0,4 Prozent war vor allem Sonderfaktoren geschuldet wie Aufholeffekten in der Automobilindustrie nach Problemen mit dem neuen Prüfverfahren WLTP. Für das zweite Quartal 2019 zeichnet sich sogar ein leichter Rückgang des BIP ab. Anschließend dürfte die gesamtwirtschaftliche Produktion zwar wieder zulegen, allerdings nur in moderatem Tempo. Insgesamt nimmt die gesamtwirtschaftliche Auslastung ab. Die vergleichsweise hohe Zuwachsrate für das kommende Jahr geht zu 0,4 Prozentpunkten auf eine hohe Anzahl an Werktagen zurück.

„An der globalen politischen Unsicherheit, die die Unternehmen hierzulande belastet, kann die deutsche Politik wenig ändern. An der Standortqualität hingegen schon. Es sollte daher jetzt darum gehen, die deutsche Wirtschaft widerstandsfähiger zu machen, etwa durch eine Reform der Unternehmenssteuern und die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlages“, sagte IfW-Präsident Gabriel Felbermayr.

Insgesamt ist das Konjunkturbild uneinheitlich. Während die industrielle Auslastung deutlich nachgibt – die Produktion in den Industriebereichen dürfte im laufenden Quartal das vierte Mal in Folge schrumpfen – und der Dienstleistungssektor nur moderat zulegt, dauert der Bauboom an. Mit Zuwachsraten von 4,4 Prozent (2019) und 3,1 Prozent (2020) überragen die Bauinvestitionen alle übrigen inländischen Wirtschaftsaktivitäten. Die Baupreise dürften jeweils um etwa 5 Prozent steigen.

Der private Konsum dürfte dank weiter kräftig steigender Einkommen mit Raten von 1,7 Prozent (2019) und 1,4 Prozent (2020) wieder spürbar anziehen. Ebenfalls stützend für die Konjunktur wirken die sehr günstigen Finanzierungskonditionen und die trotz allem noch recht robuste Weltkonjunktur. Die Exporte werden zwar allmählich wieder Tritt fassen, aber mit Raten von 1,2 Prozent (2019) und 3,5 Prozent (2020) nur moderat steigen.

Arbeitslosigkeit wird kaum noch sinken

Infolge vielerorts fortbestehender Engpässe auf dem Arbeitsmarkt schlägt der Abschwung nur langsam auf die Beschäftigung durch, und die Arbeitslosenquote sinkt zunächst noch leicht auf 4,9 Prozent (2019) und 4,8 Prozent (2020). Insbesondere im Verarbeitenden Gewerbe planen aber immer mehr Unternehmen, Stellen abzubauen. Gegen Ende 2020 dürfte der Beschäftigungsaufbau insgesamt zum Erliegen gekommen sein. Die Überschüsse der öffentlichen Haushalte dürften im Zuge der geringeren konjunkturellen Dynamik merklich auf 48 Mrd. Euro (2019) bzw. 32 Mrd. Euro (2020) zurückgehen, eine Grundrente nicht eingerechnet.

„Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Abschwung, nicht im Absturz. Ähnlich wie der langgezogene Aufschwung könnte nun auch die Entspannung nach dem Boom milder ausfallen als in früheren Zyklen. So bildet sich die Kapazitätsauslastung in der Industrie langsamer zurück als sonst, auch die Unternehmensinvestitionen sind noch nicht eingebrochen. Anlass zu konjunkturpolitischem Aktionismus besteht nicht. Ohne den Rückenwind aus den Boomjahren tritt nun lediglich die eigentliche Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland klarer hervor. Auch wachstumsbehindernde Regulierungen machen sich im Abschwung eher in den BIP-Ergebnissen bemerkbar. Eine steuerliche Entlastung der Unternehmen würde die Standortqualität verbessern und jetzt auch besser in die konjunkturelle Landschaft passen“, sagte Stefan Kooths, Konjunkturchef des IfW.

Weltwirtschaft ohne Schwung

Für die Weltproduktion erwarten die IfW-Forscher für 2019 einen Anstieg von 3,2 Prozent, 0,1 Prozentpunkte weniger als bislang. Für 2020 rechnen sie unverändert mit einem Plus von 3,3 Prozent. „Die Weltproduktion nahm zwar zu Jahresbeginn recht kräftig zu, die globale Unsicherheit ist aber nach wie vor hoch, und die Stimmungsindikatoren weisen weiter nach unten, so dass für die kommenden Monate wieder mit einem schwächeren Produktionsanstieg zu rechnen ist. Eine weitere Zuspitzung des Handelskonflikts zwischen den Vereinigten Staaten und China oder eine Ausweitung auf die Handelsbeziehungen mit der Europäischen Union stellen ein gewichtiges Abwärtsrisiko für die Weltkonjunktur und auch Deutschland dar“, so Kooths.