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IfW zu G7-Schwerpunktthema „Standards in Handels- und Lieferketten“: Unternehmen müssen in die Verantwortung genommen werden

Die von Frau Ministerin Nahles vorgeschlagene Einrichtung von Beschwerdestellen in den Produktionsländern und ein „Vision Zero Fund“ zur Finanzierung von Sicherheitsstandards und Versicherungen gehe in die falsche Richtung, weil die Maßnahmen den Unternehmen Verantwortung abnähmen, anstatt mehr Verantwortung zu fordern. Sie könnten daher sogar kontraproduktiv sein. Das gleiche gelte für Siegel, die Görg ebenfalls für kein geeignetes Mittel zur Etablierung nachhaltiger Arbeits- und Produktionsbedingungen hält. „Viele Unternehmen verstecken sich hinter der Komplexität von Lieferketten und agieren nach dem Motto, was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“, so Görg. Siegel könnten diese Einstellung noch befördern, da das Siegel als Art Rechtfertigung diene, sich nicht für die einzelnen Produktionsstufen zu interessieren, sondern die Verantwortung anderen zu übertragen.

Eine kürzlich vom IfW durchgeführte Studie für multinationale Konzerne mit Produktionsstandorten in Afrika habe gezeigt, dass diese am gleichen Standort unter nachhaltigeren Produktionsbedingungen produzierten, wenn die Produkte in entwickelte Länder, etwa nach Europa oder in die USA, exportiert werden. Gehen die Produkte dagegen in weniger entwickelte Länder wie China, spielte Nachhaltigkeit nur noch eine untergeordnete Rolle. Unternehmen sei es daher sehr wohl möglich, die Produktionsbedingungen ihrer Zulieferer mitzubestimmen, wenn nur der Anreiz dafür vorhanden sei. Allerdings: um weltweit bessere Produktions- und Arbeitsbedingungen zu etablieren, müssten auch globale Anreize bestehen.

Mehr Transparenz nötig, Missstände öffentlich machen

Erfolgsversprechend seien vor allem Maßnahmen, die global zu mehr Transparenz in den Lieferketten beitrügen und Missstände öffentlich machten. Unternehmen würden so gezwungen, sich mit ihren Lieferketten auseinanderzusetzen und könnten die Verantwortung nicht mehr an die Zulieferer abgeben. Außerdem müssten Konzerne davon überzeugt werden, dass ein aktiver Eingriff in die Produktionsbedingungen vor Ort auch wirtschaftlich Vorteile habe. Eine weitere Studie des IfW zeigt für Unternehmen in Afrika, dass Zulieferer von multinationalen Unternehmen ihre Produktivität und Innovationsleistung verbessern könnten, wenn sie aktiv durch die Multis unterstützt würden, z.B. durch „technical assistance“. Görg: „Das bedeutet für die multinationalen Unternehmen, dass, wer in direktem Kontakt mit den Zulieferern steht, besseren Einfluss auf die Qualität der Produkte nehmen kann. Wer also Arbeitsbedingungen verbessert, kann mit höherer Produktivität und weniger Lieferausfällen rechnen.“

190 Millionen Arbeitskräfte in der Dritten Welt arbeiten für die G7-Staaten

Nach Schätzungen des IfW arbeiten in der sogenannten Dritten Welt (vor allem Afrika; Asien ohne Japan, China und Taiwan; Süd- und Mittelamerika ohne Brasilien und Mexico) 190 Millionen Arbeitskräfte unmittelbar oder mittelbar für die Verbraucher in den G7 Staaten. Die G7 Staaten seien demnach für immerhin knapp die Hälfte aller Güterexporte der Dritten Welt verantwortlich, rund 1,4 Billionen US-$. Sollte es der G7 gelingen, hier bessere Standards bei der Herstellung zumindest derjenigen Güter, die sie direkt oder indirekt über internationale Lieferketten aus der Dritten Welt bezieht, zu verbessern, wäre dies ein Schritt mit Signalwirkung, so Görg. Auch wenn sie damit den Großteil der Arbeitskräfte in der Dritten Welt zunächst nicht erreiche, weil diese für die einheimischen Verbraucher oder für Verbraucher aus anderen Entwicklungsländern arbeiten, wäre dies gleichwohl ein zumindest erster Schritt in Richtung auf eine Verbesserung der Standards auf breiter Front.