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Waffen und Wachstum: Die wirtschaftlichen Folgen steigender Militärausgaben

„Die Wachstumseffekte höherer Verteidigungsbudgets sind von entscheidender Bedeutung für die politische Debatte in Europa: Wenn die europäischen Regierungen es richtig anstellen, können sie die Kosten der militärischen Aufrüstung in Grenzen halten“, sagt Ethan Ilzetzki, Autor des Berichts "Guns and Growth: The Economic Consequences of Defense Buildups" und Professor an der London School of Economics. „Das bedeutet, dass Europa über seine Militärausgaben im Lichte seiner Prioritäten für die regionale Sicherheit entscheiden kann, ohne sich von der Angst vor einer wirtschaftlichen Katastrophe ablenken zu lassen.“

Die Debatte über die Fähigkeit Europas, sich selbst zu verteidigen, hat seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Jahr 2022 an Dringlichkeit gewonnen. Viele Länder haben seitdem ihre Militärbudgets erhöht, so dass die EU-Ausgaben 2024 knapp unter dem NATO-Ziel von 2 Prozent lagen. NATO-General-sekretär Mark Rutte hat jedoch jüngst darauf hingewiesen, dass Europa während des Kalten Krieges „weit über 3 Prozent“ für die Verteidigung ausgegeben habe – und US-Präsident Donald Trump hat sogar ein neues Ziel von 5 Prozent vorgeschlagen.

Der Kiel Report ist eine Synthese von Studien aus den Bereichen Ökonomie einschließlich Produktivitätstheorie, Finanzwissenschaft, Sicherheitspolitik, Friedens-forschung und Wirtschaftsgeschichte, die von den Konflikten des 19. Jahrhunderts bis zu den US-Kriegen in Afghanistan und im Irak reichen. Er widerspricht der weit verbreiteten Annahme, dass höhere Militärausgaben Regierungen vor die Wahl „Waffen oder Butter“ stellen: Zusätzliche Gelder, Arbeitskräfte und Rohstoffe für militärische Zwecke gehen traditionell nicht ausschließlich zu Lasten des privaten Konsums.

Aber der Erfolg von Regierungen, die private Wirtschaftstätigkeit aufrechtzuerhalten, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Das BIP-Wachstum wird geringer ausfallen, möglicherweise sogar negativ sein, wenn zusätzliche Verteidigungsausgaben von Anfang an durch höhere Steuern finanziert werden. Europas Regierungen sollten daher mehr Schulden aufnehmen, um vorübergehende Mehrausgaben oder den Übergang zu auf Dauer höheren Budgets zu finanzieren, zumal der Kauf von Waffen teurer ist als die Wartung und Instandhaltung. Auch sollten sie berücksichtigen, dass es Hinweise gibt, dass Verteidigungsausgaben in Rezessionen den größten wirtschaftlichen Nutzen haben.

Vor allem aber sollten die europäischen Regierungen dafür sorgen, dass ein größerer Teil ihrer Militärausgaben in Europa bleibt. Derzeit stammen rund 80 Prozent ihrer Beschaffungen von Unternehmen außerhalb der Europäischen Union. Aber nur die heimische Produktion kann die sogenannten technologischen Spillover-Effekte auf andere Industrien und die Produktivitätsgewinne erzeugen, so dass Verteidigungs-ausgaben mit jedem ausgegebenen Euro erhebliche wirtschaftliche Aktivität schaffen.

„Wenn Europa die nächste Generation von Rüstungstechnologie und andere Waffen vor Ort entwickeln könnte, anstatt sie aus den USA zu kaufen, könnten die wirtschaftlichen Auswirkungen zusätzlicher Verteidigungsausgaben weit über kurzfristige fiskalische Multiplikatoreffekte hinausgehen und das Wachstum mittelfristig ankurbeln“, sagt Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel. „Eine Erhöhung der europäischen Verteidigungsausgaben von knapp 2 Prozent des BIP auf 3,5 Prozent würde derzeit rund 300 Milliarden Euro pro Jahr kosten – aber die Studie legt nahe, dass diese Summe eine ähnlich hohe zusätzliche private Wirtschaftstätigkeit erzeugen könnte, wenn sie gezielt in den Ausbau der militärischen Fähigkeiten Europas investiert würde.“

Die nächste Generation von Rüstungsgütern würde eine Neuausrichtung der europäischen Forschungs- und Entwicklungspolitik (F&E) erfordern. Wie der Draghi-Bericht über die europäische Wettbewerbsfähigkeit im vergangenen Jahr gezeigt hat, geben die USA 16 Prozent ihrer Militärausgaben für F&E aus – in absoluten Zahlen zehnmal mehr als die EU mit 4,5 Prozent. Wie der Kiel Report feststellt, gibt es Hinweise darauf, dass eine Erhöhung der Militärausgaben um ein Prozent des BIP die Produktivität der Privatwirtschaft langfristig um einen Viertelprozentpunkt erhöht.

Eine weitere Voraussetzung wäre, dass alle Regierungen ihre Militärausgaben auf EU-Ebene organisieren und letztendlich auch gemeinsam finanzieren – denn die Sicherung der Freiheit und der Lebensweise ist vermutlich das höchste europäische öffentliche Gut. Ein EU-Beschaffungswesen sollte den Kauf einzelner Waffensysteme von mehreren europäischen Anbietern fördern, um den Wettbewerb und die Verbreitung von Fachwissen aufrechtzuerhalten. Es sollte auch kleinere „Dual-Use“-Hersteller fördern, die technologische Fortschritte schneller auf andere Wirtschaftszweige übertragen.

Ethan Ilzetzki stellt den Bericht bei einer Pressekonferenz auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Freitag, den 14. Februar 2025, um 11:15 Uhr vor.

Fachlicher Kontakt

Prof. Ethan Ilzetzki, Ph.D.
Kiel Institute Fellow
T +44 (0)20 7955 7510
e.ilzetzki@lse.ac.uk