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Wahlprogramme: Fehlende Konzepte in der Flüchtlingspolitik

Die Aussagen der vermutlich im nächsten Bundestag vertretenen Parteien CDU, CSU, SPD, FDP, Die Grünen, Die Linke und der AfD zur Flüchtlingspolitik gehen an der aktuellen Sachlage vorbei. Insgesamt kommen jetzt viel weniger Flüchtlinge nach Deutschland als vor zwei Jahren. Deshalb kann Deutschland sowohl mehr Flüchtlinge in geordneter Form aufnehmen – durch Familien­zusammenführung, Umsiedlung aus Drittländern und Umverteilung innerhalb der EU – als auch die Einwanderung in den Arbeitsmarkt gezielt ausweiten. Dies wäre gut für die neu Ankommenden ebenso wie für diejenigen, die schon hier leben.

Zu diesem  Schluss kommen Forscherinnen und Forscher des vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW) geleiteten Projektes Mercator Dialogue of Asylum and Migration (MEDAM) in einem aktuellen Beitrag für die IfW-Schriftenreihe Kiel Fokus.

„Die tatsächlich von Deutschland verfolgte Flüchtlingspolitik ist viel restriktiver geworden – anders als viele Politikerinnen und Politiker sie kommunizieren. Der Zugang nach Deutschland ist längst nicht mehr so offen wie im Herbst 2015 – das EU-Türkei-Abkommen ist vor eineinhalb Jahren in Kraft getreten, die Balkan-Route wurde geschlossen, und auch die zentrale Mittelmeerroute durch Libyen nach Italien wird gerade geschlossen“, sagt Matthias Lücke, MEDAM-Projektleiter und Senior Researcher am IfW.

Einig seien sich  alle Parteien, dass Fluchtursachen bekämpft werden müssen. Doch was genau sich hinter dem Begriff verbergen solle, erklärten die Programme nicht.

„Das Problem der irregulären Migration nach Deutschland und in die EU lässt sich aber nicht allein durch Fluchtursachenbekämpfung lösen. Denn weltweit werden mehr Menschen verfolgt oder sehen für sich zu Hause keine Zukunft, als selbst ein wohlhabendes Land wie Deutschland aufneh­men kann. Die Sicherung der EU-Außengrenzen, die die meisten Parteien immerhin befürworten oder zumindest nicht in Frage stellen, bleibt deshalb notwendig, um irreguläre Einwanderung zu begrenzen“, sagte Lücke.

Auch wenn Deutschland und die EU nicht alle schutzbedürftigen Menschen aufnehmen könnten, sollten sie aber mehr Verantwortung für den Schutz von Flüchtlingen in Drittländern übernehmen. Eine angemessene Ausstattung und verbesserte Finanzierung des UN-Flüchtlingshochkommis­sariats wird von fast allen Parteien befürwortet. Lücke: „Hier ist es wichtig, dass den Worten nach der Wahl Taten folgen.“

Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten würden zudem ihrer entwicklungspolitischen Verant­wortung besser gerecht, wenn sie mehr legale Einwanderung in den Arbeitsmarkt zulassen würden. Viele Parteien forderten ein Einwanderungsgesetz, um mehr Fachkräfte für freie Stellen zu gewinnen und so der Überalterung der deutschen Gesellschaft entgegenzuwirken. Dabei werde aber kaum deutlich, dass dies dauerhaft mehr Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt erlauben würde.

„Um eine zeitgemäße Asyl- und Migrationspolitik für eine moderne Einwanderungsgesellschaft zu gestalten, ist schließlich eine breite öffentliche Diskussion unerlässlich“, sagt Lücke. „Doch hierfür müssen die komplexen Herausforderungen, die europaweite und globale Verantwortung Deutsch­lands und die Chancen einer gezielten Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt transparent gemacht werden.“

Mercator Dialogue of Asylum and Migration (MEDAM)

  • Melanie Radike - Kiel Institute
    Melanie Radike
    Kommunikationsmanagerin Mercator Dialogue on Asylum and Migration (MEDAM)T +49 (431) 8814-329

    Melanie.Radike@ifw-kiel.de