IfW Kiel in den Medien
„Das US-Bankensystem sitzt nach Schätzungen aktuell auf bis zu 2000 Milliarden Dollar Verlusten“
...Moritz Schularick hat einen Beweis dafür, dass er das jüngste Bankenbeben erahnt hat. (…)
Herr Schularick, erst die Silicon Valley Bank, dann die Credit Suisse – und zuletzt erlitt auch die Deutsche Bank einen Vertrauensverlust an der Börse. Droht uns die nächste Finanzkrise?
Die Probleme liegen anders als 2008. Damals gab es massive Kreditrisiken und Ausfälle nach dem Zusammenbruch des amerikanischen Immobilienmarkts. Ausfallrisiken dieser Dimension sind derzeit nicht erkennbar. Aber viele Banken haben aufgrund der höheren Zinsen massive Wertverluste auf langfristige Anleihen in den Büchern. Wenn sie diese Anlagen zu heutigen Preisen verkaufen müssten, wäre die eine oder andere Bank in einer ähnlichen Situation wie die Silicon Valley Bank. Der Kollaps insbesondere der Credit Suisse ist aber anders gelagert. Da kriselte es schon seit Jahren aufgrund von Skandalen und Verlusten im Geschäft mit Hedgefonds.
Hat es Sie überrascht, dass die Vertrauenskrise eine solche Dimension erreichen konnte?
Schon, ja. Ich habe wie viele andere auch gedacht, dass die Banken ihr Zinsrisiko besser managen. Die Banken haben immer gejammert, dass die Zinsen zu niedrig sind. Dann steigen die Zinsen und die Banken sind in der Krise. Ich hätte auch erwartet, dass das regulatorische System besser greift. Doch die Erfahrungen aus 2008 haben offenbar nicht dazu geführt, die eigentlichen Probleme zu lösen.
„Es reicht nicht, einfach die Mauern höher zu ziehen“ Was sollten wir diesmal besser machen?
Die üblichen Diskussionen gehen ja schon wieder los: Einlagen höher besichern, Eigenkapitalvorschriften ausbauen, Bankenüberwachung erweitern. Das ist auch alles richtig, aber der Kern des Problems ist ein anderer. Dass bröckelndes Vertrauen und kurzfristige Panik ganze Banken kollabieren lassen können, ist doch ein altbekanntes Problem. Das zeigt, dass es offenbar nicht reicht, einfach nur die Mauern etwas höher zu ziehen. Wir müssen uns fragen, ob unsere Mauern aus dem richtigen Material sind.
Das heißt konkret? Die Verschuldung insbesondere der privaten Haushalte, aber auch der Unternehmen und der Staaten, ist in den vergangenen Jahrzehnten enorm gestiegen. Wir wälzen einen riesigen Schuldenberg vor uns her, der zum großen Teil kurzfristig refinanziert werden muss. Sobald es eine kleine Störung gibt, wackelt das ganze System und muss von den Zentralbanken mühsam zusammengehalten werden. Wir müssen ehrlich sein: Das enorme Wachstum der Finanzmärkte in den vergangenen Jahrzehnten hat zu mehr Instabilität geführt. Wir leben in einer Zeit latenter Finanzkrisen. Das heißt, wir müssen uns darüber Gedanken machen, ob unser Finanzsystem in jetziger Form zukunftsträchtig ist. Eine Option könnte sein, dass wir in Zukunft alle einfach ein Konto bei der Zentralbank haben. Eine andere wären sogenannte „narrow banks“, die mit den Einlagen der Haushalte nur kurzfristige sichere Staatsanleihen kaufen können.
Das klingt eher nach Revolution als nach Reform ...